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Historical Dance Bibliography

Here is a transcription of entry with id behr_1703_anderer:

Transcribed by Nataliia Valentinovna Liubinskaia

Samuel Rudolph Behr

Maitre de danse. Anderer Theil. Der Tantz-Kunst oder Ausgesiebete Grillen so wohl über sein herausgegebenes Tantz-Buch selbst als auch über die von alten alt-väterischen und jungen super-klugen Leuten (So alleine Tantzen verstehen wollen. Darüber gefälleten absurden Urtheile Worbey auch nochmahls unterschiedene sehr lustig gesetzte Musicalia der Author mit angehencket


Page Summarien

Derer Grillen.

  1. Grille / ist die Refutation über die absurde Gedancken / über den Titul / die Vorrede / Verse und Worte: Es märe alles ausgeschrieben / uñ über die Musicalien Page im Tantz-Buche.

  2. Grille / von Composition einer Opera des Poetens was dieser darbey zu observiren hat.

  3. Grille / wie die Gliedmaassen der Menschen / welch sich auch in der Tantz-Kunst üben wollen / Page zuvor von dem Maitre müssen judiciret werden / nemlich wie diese dey solcher Motion in ihren Articulationibus flectiret / extendiret / adduciret und abduciret werden.

  4. Grille / wie die Schritte im Tantzen ferme zu machen Page seynd / uud11. опечатка нужно: und wie jedes Pas und iede Bewegung im tantzen mit Vortheil und geschickt laboriret werden soll / damit hernachmals derselbe einen ieden Tantz zierlich und ohne einige force machen möge.

  5. Grille / wie ein Tantz-Meister Page einen Scholar auch ferner zu informiren hat / daß wenn er in denen Pas oder Schritten zum Tantzen und der Cadence perfectioniret ist / auch ieden Tantz mit guter Manier und air verrichten soll.

  6. Grille / was ferner Page für Nutzen ein Mensch von solcher löblichen und honnetten Leibes-Ubung hat.

  7. Grille / daß ein Tantz-Meister muß nothwendig die Music und auch etwas von der Musicalischen Composition verstehen.

Page 8. Grille / wie auch bey solcher mehr gedachten Leibes-Hbung die menschlichen Glieder bey guten Kräfften zuerhalten sind.

  1. Grille / von des Authoris Characteribus, welche er für sich erfunden / und wormit Page ein und andere Tantze auffgezeichnet werden können.

Page 1. Grille.

Uber de Titel / die Vorrede / Verse uñ Worte: Es wäre alles ausgeschrieben / und über die Musicalie im Tantz-Buche.

Daß schon vor langen Jahren und noch biß diese Stunde viel Bücher Page in Druck heraus gegeben / zu welchen die Vorrede nicht vom Authore selbst / sondern von andern dazu verfertiget worden / liegt gnugsam hell und klar am Tage / und darff nur derjenige / welcher hierinne solches zu glauben / seines Verstandes beraubet ist / seine Nase hier und dar in alle Buchläden stecken / so wird er der gleichen Bücher in grosser Menge anzutreffen haben / zu welchen auch wieder von unterschiedenen nebst der Vorrede / Verse verfertiget worden sind Was den Titul eines Buchs anbelanget / ist ebebfalls notorium und bekandt / daß hierinne einem ieden Buchführer frey stehet / Page was das Haupt-Wort eines Buchs anbetrifft / nach Befinden solches zu verbessern / deswegen folget hernach nicht / daß der Buch führer den gantzen Titul eines Buchs gemacht / zumahl da er ja des Buchs contenta so gut nicht wissen kan als der Autor selbst / der solches verfertiget. Auff diese absurde Worte nun / es wäre alles aus andern Büchern ausgeschrieben / dienet zur Antwort / wie ich ja selber auff den Titul meines Tantz-Buchs erwehnet / wie daß ich mir unterschiedener gelehrter Leute und kluger Musicorum Schrifften / so von diesem galanten Tantz-Exercitio geschrieben / conferiret Page / und hernach mahls / wie in meinem Tantz-Buche zu lesen seyn wird / nebst meiner eigenen Invention colligiret / und alsdenn allen recht-verständigen Liebhabern von Tantzen im Drucke ediret / und ist gleicher gestalt nichts unbekand tes / daß sehr sehr viele Bücher von galanten gelehrten Leuten heraus gegeben worden / in welchen gleichfals aus anderer Author: ihrer Bücher / nebst eigener Invention colligirete Sachen gnugsam anzutreffen seyn werden / deswegen kan hernach hier nicht die Rede seyn / daß das gantze Werck aus andern Büchern geschrieben ist. Und daß mir nun auch von alten Page alt väterischen-unvermögenden und der Music unverständigen auch andern super-klugen Leuten / daß ich die Musicalia, welche ich meinem Tantz-Buche annectiret / negiret werden will / darüber lasse ich mir wohl keine graue Haare wachsen / gnug daß meine Composition so wohl denen auff meinem Boden befindlichen Musicis, als auch andern allhier / gnugsam bekandt ist / welche alle auch hiervon attestiren können / und wer es nicht glauben will / der lasse es bleiben. Und nachdem nun solche alte und andere super kluge Grillenfängerichte Leute anietzo sich gefunden Page /welche allerhand absurde judicia über mein herausgegebenes Tantz-Buch gefället; So bin ich bewogen worden / ihnen solche nicht alleine zu refutiren / sondern damit der geneigte Leser auch ferner sehen möge / worinne dieses galante Tantz-Exercitium weiter bestehet / habe ich erwehntes mein Tantz-Buch nochmahls für die Hand genommen / und etliche die von denem darinnen befindlichen annotationes übersehen / und mit noch mehren Wissenschafften erkläret und angefüllet / damit der günstige Liebhaber mit noch ferneren Nutzen von der Tantz-Knnst22. опечатка, нужно: Tantz-Kunst denen darbey nochmaligen annectirten Musicalien Page vergnüget werden möge.

Schlüßlichen recommendire denen sämtlichen Liebhabern ich mich zu beharrlicher Affection.

Leipzig den 1. Jan. 1703.

Samuel Rudolph Behr.

Page 2. Grille.

Von Composition einer Opera.

Es ist 1.) in meiner TantzKunst bey der ersten Annotation erwehnet worden / worinne eigentlich die Musicalische Composition einer Opera bestehet; Nun will ich auch 2.) die Composition des Poeten ein wenig betrachten / und darbey kürtzlich erinnern / daß es auch sehr gut kömmet / wenn dieser bey Componirung einer Opera eine solche Materia von einer Historia vor die Hand nimmet Page / in welcher so wohl unterschiedene Machinen / Veränderungẽ des Theatri als auch der Enteréen und Täntzen / nebsteiner guten Musicalischen Composition der Oper mit præsentiret werden können / und zwar aus denen Ursachen / weil viele auch von denen Zuschauern in eine Opera kommen / die wenig oder nichts von der Music verstehen / iedennoch aber / wenn hierinne darbey allerhand in die Augen fallende Dinge mit aufgeführet werden / alsdenn alle Zuschauer / so wohl die Music-Verständigen / als auch andere zu contentiren seyn.

Page 3. Grille.

Wie die Gliedmaassen der Menschen / welche sich auch in der Tantz-Kunst üben wollen / zuvor von dem Maitre müssen judiciret werden.

Gleichwie nun ein Baumeister das Absehen seiner Kunst auff dreyerley Stücke zu richten hat / wie er 1.) bey iedwedem Bau alle die zur Architectur Page gehörigen principia observiren. 2.) Wie er daraus ein dauerhafftes und zugleich ein zierliches und wohl proportionites Werd darstellen / und dann 3.) auch zum vorgesetzten Zweck und Nutzendesjenigen / so das Gebäude bewohnen soll / selbiges am beovemsten einrichten möge; also hat auch ein Tantzmeister wiederum in seiner Tantz-Kunst bey einem iedweden Scholar nachfolgende drey Hauptstücke zu observiren / nemlich: wie er den Scholar 1.) rechte gute Fundamenta zu weisen habe / auff daß 2.) derselbe mit der Zeit einem fermen und zierlichen Tantz machen / und dann 3.) auch hierdurch zu Page dem vorgesetzten Zweck und Nutzen des Tantzens / welcher in einer Gschickligkeit 1.) der Füsse / 2.) des Leibes / 3.) der Arme / 4.) des Kopfs und Augen / und dann 5.) allerhand artigen und manierlichen Auff führungen / wie auch schon hiervon in der Tantz-Kunst Annotatio 4. ausführlich erwehnet worden / bestehet / gelangen möge.

Bey denen Fundamentis hat der Maitre de dance gleich einem Baumeister / welcher den Ort / worauff er das Fundament eines guten Gebäudes legen will / vorhero in allem und iedem wohl in Augenschein nehmen muß / allhier auch in der Page Tantz-Kunst das Naturel der Persohn / so tantzen lernen will gnau zu judiciren / ob solches auch gut und geschickt ist / dergleichen Fundamenta anzunehmen / und dieses hat er auff solche Weise zu consideriren / er muß zuvor alle diejenigen Gliedmassen des Menschens / wie diese und jene Glieder bey ieder motion ihre Articulation und Gelencke haben. Wie die Eintheilungen der Beine / der Arme und aller Glieder / so im Tantzen sich moviren und darbey geschickte Schritte laboriren müssen / unterschieden werden / in allen also wohl erforschen können Doch ehe ich weiter etwas von denen Eintheilungen der Page Beine / der Arme und anderer Glieder wie sie beym Tantzen laboriren müssen / gedencken wil ich zuvor / weil ich in meiner Tantz-Kunst Annotat: 6. unter andern errinnert / daß die Schritte nicht aus dem Oberleibe / sondern unten aus denen Hüfften zu machen sind / auch durch was für Musculos solche Hüfften regieret werden / erwehnen / nemlich:

Die Füsse haben an denen Hüfft-Beinen / Flexionem, Extensionem, Adductionem & Abductionem.

1.) FLEXIO geschiehet durch diese Musculos, als: Psoam, Page lliacum internum & Pectinæum.

2.) EXTENSIO, per Glutæos, majorem, medium und minorem.

3.) ADDUCTIO, mediante Tricipite, wenn die Schenckel inwerts zusammen gezogen werden.

4.) ABDUCTIO aber durch die quadrigeminos und obturatores, wenn die Schenckel wiederum auswerts gedrehet werden.

Es wird auch hierbey gesetzet Circulairement, welche Page durch dieser 4. benennten specierum Musc: verrichtet wird.

Das Schien-Bein anlangend /

So hat dasselbe auch Flexionem, Extensionem, Adductionem & Abductionem.

1.) FLEXIO bestehet darinnen / wenn das Schien-Bein durch 3. Musc: als Bicipitem, seminervosum & semimembranosum, hinterwerts gezogen wird.

2.) EXTENSIO, wenn das Schien-Bein durch 4. Musculos, als Rectum, Vastum Page internum, externum, & cruralem, gerade gezogen wird.

3.) ADDUCTIO, geschiehet per Sartorium und Gracilem, welche function auch hierinnen ist / daß er ein Bein über das andere hebt.

4.) ABDUCTIO per Membranosum & Poplitæum.

Der äusere fuß wird ebenfalls flectiret / extendiret / adduciret und abduciret.

1.) Flectiret wird er durch 2. Musc: Tibiæum, & peronæum anticum.

Page 2.) Extendiret / durch Gasterocnemios, soleum und Plantarem. (die drey ersteren machen die Waden)

3.) Adduciret durch Tibiæum posticum.

4.) Abduciret durch Peronæum posticum.

Was uun33. опечатка, должно быть: nun die Arme anbetrifft

Welche auch hauptsächlich in zierlichen Tantzen mit moviret werden müssen: So geschichet des Armes mouvement auff fünfferley Art / als auffwerts / unterwerts / vor- und rückwerts Page und in die Kunde / (welche letztere Art aber aus den vier vorhergehenden einig bestehet / denn sie hat keine eigene Muscul: )

Auffwerts / verrichten es dreyerley Musc: als deltoides, 2.) supraspinatus, und 3.) Coracobrachialis.

Unterwerts / 2. Musc: als Teres major, und latissimus dorsi.

Vorwerts / Pectoralis und Immersus.

Kückwerts / 2. Musc: infraspinatus und rotundus minor.

Page Alle diese 9. benannte Musculi humeriformiren ein mouvement rond und wenn alle diese successivement movirer werdẽ / so ists eine runde und Circulaire motion.

Der Ellenbogen hat

  1. Musculos, durch welche nur Flexio und Extensio verrichtet wird / als:

Flexio, durch Bicipiten & Brachiæum internum, Extensio, durch Extensorem longum & brevem, brachiæum externum, & Anconæum.

Page Die Arm-Schiene hat 4. Musc.

Zwey / welche den Radium mit der äuserlichen Hand inwerts wenden / als Pronatorem rotundum und qvadratum.

Zwey / welche den Radium mit der äuserlichen Hand auswerts strecken als / supinatorem longum & brevem.

Und wie nun alle diese vorhergesetzte Wissenschafften von denen menschlichen Gliedern bey iedem Pas und Schritt und Bewegungen im Tantzen können appliciret / und dahero einem Page Maitre de dance zu wissen sehr nöthig crachtet werden / soll in nachfolgender vierdten Grille hauptsächlich deduciret werden.

4. Grille.

Wie die Schritte im Tantzen ferme zu machen sind / und wie iedes Pas und iede Bewegung im Tantzen mit Vortheil und geschickt Page laboriret werden soll / darmit hernachmahls derselbe einen ieden Tantz zierlich und ohne eintzige force machen möge.

VOrnemlich nun kan ein Maitre solches alles dem Scholar (so ferne ihme anders auch die Natur / wordurch vermittelst derer44. возможно опечатка Hülffe alle Künste und alles andere was zu bewundern stehet / ans Licht gebracht werden muß / zu solcher Page galanten Leibes-Ubung ausersehen:) durch die Courante demonstriren; denn diese lehret den Scholar 1.) die Füsse ferme zu setzen / 2.) wie er den Leib geschwind von einem Bein auffs andere in einer Balance wohl führen / damit er nicht in solchen Schritten beym Tantzen weder zur rechten noch zur lincken Hand / weder vorwerts noch rückwerts mancken möge. 3.) Wie die Beine bey iedem Pas und Schritte artig und douse gebogen werden sollen / und denn 4.) wie hernach auch einer aus solchen Biegungen unten auff denen Füssen wiederum sich gut heben soll. In Summa / gleichwie Page ich schon in meinem herausgegebenen Tantz Buche erwehnet / die Courante ist ein solches Fundament der Tantz-Kunst / daß wer diese zu tantzen weiß / alsdenn alle andere Täntze auch / ohne grosse Bemühung / recht und gut wird tantzen lernen können. Und dannenhero so hat ein Maitre einen Scholar in diesem allen solgender gestalt zu instruiren. Anfangs ehe er ihn gleich einen Tantz lernet / muß er ihme die Beine und unten die Füsse durch gewisse schlechte / so wohl steiffe als gebogene Schritte darzu zu præpariren / und also demselben hierdurch einen fermen Leib Page und Fuß zu machen wissen. Die steiffen Schritte anlangend / so muß er dem Scholar zuvor auff auswertsen gehobenen füssen und oben geschlossenen Knien und festen Leibe mit steiffen Schritten hin und wieder gehen lassen / und darbey aber zeigen / wie unter wehrenden solchen steiffen Schritten / die Füsse an denen Hüfft-Beinen / woraus alle Schritte gemachet werden müssen / wenn der Ober-Leib ferme soll behalten werden / zu extendiren sind / und durch was für Musculos solche Extensio verrichtet wird. Dannenhero wenn ich das Bein auswerts und gestreckt vorne auff den Fuß mit zusammen Page gezogenen Schenckeln ferme fortsetze / so wird 1.) dasselbe oben an denen Hüfften extendiret / durch diese Musculos, als: Glutæos, majorem, medium, und minorem.

2.) Adduciret aber / (nemlich wenn bey solcher Extens: die Schenckel inwerts zusammen gezogen werden:) mediante Tricipite.

3.) Und wieder wird es extendiret in dem Schien-Beine durch diese 4. Muscul: als Rectum, Vastum internum, externum, & cruralem.

4.) Endlich die Extensio des Page äuseren Fusses geschiehet durch Gasterocnemios, soleum und Plantarem, (welche drey ersteren auch die Waden machen:)

Und nachdem nun gewiesen worden / wie die Beine so wohl aus denen Hüfften / als auch aus denen Knien und unten aus denen Füssen schlechte steiffe Schritte machen sollen; So soll auch nunmehro gezeiget werden / wie diese bey schlechten gebogenen Schritten zu flectiren seyn / und was wieder für Musculen solche Flexionem verrichten.

Was nun 2.) die gebogenen Schritte anbetrifft / hierinne Page muß der Scholar auf diese Weise informiret werden: Ich lasse ihn von einem Beine zum andern gebogen vor- und dar-inne fortgehen / rück- und Geitwerts / rechter und lincker Hand / hierbey aber muß ich denselben wieder erinnern / wie bey wehrenden diesen gebogenen Schritten auch der Leib von einem Beine auff das andere ferme fortgeführet werden soll.

Indem ich auff einem Beine gebogen vor gehe / so wird 1.) dasselbe wiederum oben an denen Hüfften flectiret durch diese Musculos, als: Psoam, Iliacum internum & Pectinæum.

Page 2.) Adduciret aber / mediante Tricipite, wenn unter wehrenden solchen gebogenẽ Schritten die Schenckel inwerts zusammen gezogen werden.

3.) Abduciret durch die quadrigeminos und obturatores, wenn nach solchen gebogenen Schritten die Schenckel wiederum auswerts gedrehet werden.

4.) Die Flexio des Schienebeins / nemlich wenn in einem gebogenen Schritte solches hinterwerts gezogen wird / geschiehet durch 3. Musc: als: Bicipipitem, seminervosum & semimembranosum.

Page 5.) Adductio geschiehet per Sartorium und Gracilem, welche function auch hierinnen ist / daß er ein Bein über das andere hebt.

6.) Abductio, per Membranosum & Poplitæum, wenn in solchen gebogenen Schritten ein Bein von dem andern weggeführet wird.

  1. Letzlich die Flexio des äuseren fusses geschiehet durch 2. Musc: Tibiæum & peronæum anticum.

8.) Adduciret / nemlich wenn ich die Zeen des Fusses vorne Page nach dem Schien-Bein anziehe / durch Tibiæum posticum.

9.) Abduciret / da die Zeen hinunter nach der Erden geführet werden / durch Peronæun posticum.

Endlich komme ich auch nun 3) auff das porte de Brah, oder wie die Arme im Tantzen darbey wohlgeführet werden sollen / dasselbe kan auff zweyerley Art verrichtet werden / 1.) niedrig / da ich die Arme sachte fallen lasse / und douse wiederum vom Leibe wegführe. 2) Hoch / wenn ich einen Arm um andern gebogen in die Höhe führe / und den andern iedoch Page nur ein wenig ausgestrecket und sachte wiederum sincken lasse.

Was das niedrige porte de Brah anbetrifft / dessen mouvement, (wenn ich anietzo die Arme gebogen vorwerts nach dem Leibe zu lasse herein fallen /) wird durch diese 2.Musc: als: Pectoralem und Immersum verrichtet.

Führe ich die Arme wieder zurücke vom Leibe weg / so geschiehet solches durch die 2. Muscul: infraspinatum und rotundum minorem.

Das Mouvement des hohen porte de Brah, da ein Arm gebogen Page in die Höhe geführet / der andere wiederum ein wenig ausgestrecket und sachte fallen gelassen wird / auch fürnemlich durch den Elnbogen / welcher darbey zu flectiren und zu ex. tendiren ist / verrichtet werden muß; so geschiehet dasselbe auswerts durch diese 3. Musculos, als: deltoidem, 2.) supraspinatum, und 3.) coracobrachialem.

Unterwerts / wenn der Arm ein wenig gesencket wird / durch die 2. Musc: Teretem majorem, und latissimum dorsi.

Ich erinnere mich zwar anietzo hierbey auch / daß ich so wohl Page von vielen Täntzern als auch Maitres von Tantzen selbst gesehen / was das mouvement im niedrigen porte de Brah anbetroffen / daß / an statt da sie solches mouvement mit denen Armen machen sollen / sie hingegen dieses nur mit denen Händen und durch die 4. Musculos der Arm Schienen / deren zwey den Radium mit der äuserlichen Hand inwerts wenden / als: Pronatorem rotundum und Quadratum. Und wiederum 2. welche den Radium mit der äuserl. Hand auswerts firecken / als supinatorem longum & brevem ) gemachet / und darbey aber die Arme wenig oder gar nicht moviret; Wie kröplicht Page und unartig nun solches einem Menschen in Tantzen verstellet / wenn er seine Gliedmassen nicht frey und ungezwungen darinne zu gebrauchen weiß / wird mir ein iedweder verständiger Mensch in diesem Stück Beyfall zu geben wissen / denn besser siehet es ja / und vergnüget auch die Augen / wenn die Arme im Tantzen gantz und lebhasst moviret / als wenn sie darbey wie todt getragen werden / wordurch sich doch ein Mensch / wie ich auch schon in meinem Tantz-Buche erwehnet / so wohl beym Tantzen / als auch andern Begebenheiten / die beste air zu geben hat.

Page Nun wollen wir auch ferner sehen / wie bey einem und andern Tantze / darinne so wohl unterschiedene zierliche Schritte par terre, als auch nette LufftSprünge mit vorzukommen pflegen / weiter solche und noch andere Wissenschafften von denen menschlichen Gliedmassen zu employren sind / darmit alsdenn auch vollends ein zierlicher und geschickter Tantz auch ohne eintzige force von einem Täntzer verrichtet werden möge.

1.) Das beste und fürnehmste Stück ist die Courante, weil / wie ich schon vormahls gedacht / die hauptsächlichsten principis der Tantz-Kunst darinne anzutreffen Page sind / und woraus auch alle andere Täntze componiret werden / diese wollen wir ein wenig betrachten / und darbey zeigen / wie ein Scholar aus solcher gut tantzen lernen soll.

Was nun eigentlich die in diesem Tantze darinne befindliche coupés und pas graves andetrifft / bey denen ist zu attendiren und acht zu haben / daß selbige der Täntzer nicht aus force, sondern frey und ohne grosse Mühe machen darf / nemlich also: Ich habe nun eine coupé entweder auff dem rechten oder lincken Beine zu machen / so müssen unter wehrender dieser / (worinne zugleich die Schien-Beine Page durch die 3. Musculos, Bicipitem, seminervosum & semimembranosum, hinter oder seitwerts gezogen / und unten darbey die Füße auch durch 2. Muscul. als / Tibiæum & peronæum anticum flectiret und gebogen werden) oben die Hüfft-Beine / woraus die pas zu machen / durch Hülffe derer Musc: als: Glutæos, majorem, medium und minorem extendiret werden / welche musc: mir die Hüfft-Beine so strecken und ferme behalten / daß / wenn ich hernach die Schenckel wiederum inwerts adducire und zusammen ziehe / und nach solcher Coupé die Beine durch die benannte 4. Muscul: als / Rectum, Page Vastum internum, externum, & cruralem, und dann unten die Füsse durch diese Musculos, Gasterocnemios, soleum und Plantarem wieder gerade ziehe[/ ?] uñ mit steiffen Schritten fortsetze[/ ?] mir der Leib / welchen ich aber auch zuvor auff das jenige Bein und diesen fuß / worauff ich die Schritte anfange / und also anfangs darauff alleine stehen muß / ineiner rechten Balance und perpendiculariter oder schnurgerade zu setzen / und darauff so lange feste zubehalten habe / biß der andere fuß / welcher inzwischen in der Lufft gehen müssen / wieder nieder zur Erden gesetzet worden / so ferme nut fortgehen / Page und mir weder zur rechten noch zur lincken Hand / weder vornoch rückwerts wancken wird / sondern man kan alsdenn ohnfehlbahr so wohl diese Coupés, pas graves, als auch alle andere Schritte / sie mögen seyn entweder nur schlecht gebogen / oder gebogen figuriret / und schlechte steiffe / oder steiff figuriret / auff solche Weise ferme, ohne eintzige force und grosse Bemühung verrichten / da hingegen / wann ein Täntzer den Vortheil nicht meiß / den Leib in einer Gleiche / und wie auch schon in meinem Tantz-Buche erwehnet / perpendiculairen Lienie zu führen / er keinen eintzigen Schritt im Tantzen reine und feste wird Page machen können / indem die Glieder der Menschen / wie sie die Natur selbst / auch in dieser galanten Liebes-Ubung der Welt geschickt sich hervor zu thun / darzu præpariret hat / beym Tantzen die Schritte und pas nur machen dürffen / und sich in geringsten darbey keines Zwanges und andern unanständigen Affecten bedienen / wie es denn öffters Täntzer giebet / welche mit ihren Gliedmassen so wohl beym Tantzen / als auch in ihren ordentlichen Gange / abscheulich affectiren / denn sie meynen / es stehet ihnen wohl an / wenn sie 1.) den Leib über die Gebühr vorwerts schiessen lassen / und salv. ven. 2.) den Podex wie Page weit hinter sich hinaus strecken / auch wohl 3.) allezeit im Tantzen das Maul und dessen Lippen von einer Seite zur andern hin und wieder ziehen / welche unanständige Dinge eine solche Figur machen / daß man gewiß darüber lachen muß / und dennoch unterstehen sie sich / Leute zu censiren / zu corrigiren / und bey allen Menschen unvernünfftig zu traduciren und zu verläumbden / die hergegen doch auch guten Verstand in der Tantz-Kunst haben / auch von Personen hohen und niedrigen Standes (die ebenfalls wohl von der Tantz-Kunst zu raisonniren gewust) selbst dieserwegen æstimiret werden / Page auch mehr und viel eher und besser einen Scholar in ermeldte[t] Tantz-Kunst zu instruiren und zu lernen wissen / auch selbsten darinne noch præstiren können das / was vielleicht solche Personen noch niemahls get ha[n] haben / und nicht capable gewesen / solches iemahls nachzuthun; dieses alles aber thun sie entweder aus einem Unverstande von der Tantz[-]Kunst / oder aus einer allzugrossen super-Klugheit / worinne hernach gemeiniglich solche super kluge Leute / an statt / da sie verineynen hierdurch sich zu recommendiren / vielmehr sich prostituiren.

Page 2.) Endlich komme ich nun auch auff die Capriolen, welche beym Tantzen in einer und andern Entrée mit gemachet werden / derer sind unterschiedener Arten / als: Gleiche- Seiten-Kück- und förder- Capriolen.

Die Sprünge gerade in die Höhe / sind entweder schlecht oder figuriret / schlecht sind sie / wenn ich gerade in die Höhe springe / und mit beyden Beinen an die Waden / oder auch wohl nach alter Fränzösischen Manier (welche auch noch heute zu Tage pflegen die Handwercks-Gesellen zu machen / wenn sie in denen Bier-Häusern Page tantzen) ein paar mahl mit denen Schuh-Absätzen zusammen schlagen. Figuriret aber / so ich nach gefastem tempo wieder in die Höhe springe / und in der Lufft nach den Seiten Abzuge der Beine unten mit beyden gestreckten Füssen frey / entweder über einander / oder an denen Seiten zweymahl battire und schlage / oder auch wohl diese gerade Capriole croisire und Creutz-weiß mache / nemlich / wenn ich in der Lufft bin / und mit beyden füssen einen um andern etliche mahl über einander coupire und schneide.

Und also auff diese beyde Arten Page der geraden Capriolen werden auch die andern Seiten-Sprünge / zurück und vor gemachet. Doch habe ich noch eine Art von Sautés oder Springen bey denen geraden Capriolen zugedencken vergessen / da ich das tempo nehme / in die Höhe springe / und an der Seiten im Fortgange mit fermen Beinen / Knien und festen Füssen / allezeit zweymahl battire / welches die allerschweresten und fürnehmsten Springe sind / woraus auch alle andere Capriolen zu machen sind.

Wie nun aber / und aus was für articulationibus und Gelencke der menschlichen Gliedmassen Page alle ietzt gedachte Springe / damit sie auch fein reine kommen / zu machen sind / soll folgender gestalt wiederum, sehr deutlich dociret und gewiesen werden.

Was 1.) die gleichen Capriolen anbetrifft / deren Tempo auf beyden Beinen zugleich nicht allzutieff gebogen genommen und alsdann in die Lufft gesprungen wird / muß wiederum zuvor am allermeisten der Leib observiret werden / damit daß dieser allhier auch ferme und in seiner perpendiculairen und schnurgerade Lienie / auch stets rechten Balance behalten werden möge.

Page Bey dem Tempo, so sind 1.) die Hüfft-Beine / woraus auch nothwendig alle Capriolen zu machen / durch Hülffe derer Musc: als: Glutæos, majorem, medium und minorem wiederum hauptsächlich zu extendiren und darbey ferme zu behalten. 2.) Die Schien-Beine aber müssen durch die Musculos, Bicipitem, seminervosum & semimembranosum flectiret / hingegen 3.) Gleich wieder auch / wenn ich in der Lufft stehe / durch die 4. Musculos, als: Rectum, Vastum internum, externum & cruralem extendiret werden. Worbey denn 4.) ebenfalls unten die füsse / so fürnehmlich die Capriole Page zu schneiden haben / ihre Extension durch diese Musculos, Gasterocnemios, soleum und Plantarem erlangen müssen.

5.) Die Abductio, und wenn ich in der Lufft auf die Seite die Beine wegziehe / geschiehet per Membranosum & Poplitæum.

6.) Adductio aber per Sartorium und Gracilem, da ich die Beine (indem unten die Füsse in solcher adduction durch den Muscul Tibiæum posticum, die Capriole schneiden müssen) wiederum zu- und ein wenig übereinander ziehe. Und auff solche Weise werden letzlichen die Page andern Capriolen, sie mögen nun gehen auff die Seite / vorwerts / hinterwerts / entweder in die Runde / gerade in die Höhe / oder auch auff die Seite rund herum / und wo sie sonsten nur hin wolle / alle also / und mit solchen articulationibus und Gelencken gemachet.

Dannenhero so ist auch dieses bey einem Tantz-Meister ein necessarium reqvisitum und nothwendig erfordertes Stücke / das er in seiner Tantzkunst auff diese Arth / wie hiervon gnugsam ist gezeiget worden / die menschlichen Gliedmassen zu judiciren und zu erforschen weiß / wie nemlich diese und jene Page Glieder / welche im Tantzen laboriren und arbeiten müssen / sich articuliren und lencken / und so fort an.

Es ist auch nicht genug / wenn mancher Tantz-Meister spricht / er sey ein rechter verständiger Maitre von Tantzen / item sich rühmet / daß er hat Mañshoch caprioliret und gesprungen / (worüber zwar die Veritas und die Negatio noch mit einander disputiren / ob es möglich sey / daß in einer saubern Capriole, wie man beym Tantzen zu machen pfleget / eines Mannes hoch hat iemahls gesprungen werden können) ingleichen ferner auch so ein Maitre vorgiebet Page / daßer seines Orths keinen andern mehr habe / der hierinne wisse / was er verstehe / ja auch über dieses meldet / wie daß ein Tantz-Meister müsse ein Mathematicus, ein Philosophus, ein Historicus, ein Medicus, ein Poete / ein Mahler / ein Logicus und anders mehr darneben seyn / (daß zwar auch ietzt-gedachte und noch andere disciplinen / bey der Tantz-Kunst in einem und andern zu wissen sehr nützlich seyn / wird nicht contradiciret) inzwischen aber / und weiln ein solcher Maitre in dieser Tantz-Kunst nicht præstiret was zu præstiren gewesen / auch hiernechst iemahls gezeiget / daß er in oberwehnten Page und andern disciplinen mehr sehr selbst versiret ist / wiederum durch seine Information gewiesen / daß er verstehet / einen Scholar gut zu instruiren und zu unterrichten / so glaubet man doch / daßer die Tantz-Kunstent weder nicht recht verstehet / auch von allen mehrer wehnten Lehren selber keine Nachricht hat / oder gegen keinen Scholar darinne sich fidel erweisen wil. Wie einem dann auch weiter dey solchen Umständen mehr zu glauben nicht verwehret ist / daß derjenige Tantz-Meister / (welcher sich bedüncket in seiner Tantz-Kunst gar zu klug zu seyn / und durch dieses ermeldte Vorgeben für andern / so er darinne Page neben sich hat / hervor zu thun / auch wohl diese bey denen Menschen hin und wieder durch absurdes Vorbringen und üble Nachrede herunter zu machen suchet) nicht Meister über seine Affecten ist / sondern wäre ihme vielmehr zu rathen / daß er dieses thäte / und sich nur in der letztgedachten Lehre / nemlich in der Logica noch gut informiren ließ / damit er hieraus lernen möge / wie er vernünfftig von einem und andern Dinge raisonniren / und gegen andere Leute sich sittsam auffführen solle. Doch daß ich auch wieder auff mein letztes komme / wenn nun aber ein Maitre einen Scholar also zu informiren und Page darbey seine Gliedmassen zu judiciren weiß / worvon oben allbereit ausführlich ist gehandelt worden / so versichre daß jeder Scholar / der anders zwar naturalia zum tantzen habe / allezeit eine gute Entrée und Tantz geschickt und zierlich wird verrichten können.

5. Grille.

Wie ein Tantz-Meister einen Scholar auch ferner zu informiren hat, daß wenn er in denen Pas oder Page Schrittẽ zum Tantzen und der Cadence perfectioniret ist / auch ieden Tantz mit guter Manier und air verrichten soll.

Die Air und Manier so sich einer un Tantzen zu geben hat / muß durch das porte de Brah, oder Tragen der Arme verrichtet werden / denn so ein Mensch gleich gut tantzet / auch incomparable die Cadence höret / wenn er aber im Tantzen Page die Arme unbeweglich hangen lässer / und hierbey solche nicht lebhafft und geschickt zu moviren weiß / wird doch alles todt und gezwungen bey ihme aussehen / derowegen so muß auch für allen Dingen ein Maitre dem Scholar hierinne zu unterrichten wissen / wie er ein gut Mouvement mit denen Armen machen soll.

Das porte de Bras wird auf zweyerley Weise gemachet / erstlich niedrig / welches in denen Courantes und Menuets man zu gebrauchen pfleget.

Underns hoch / dieses kömmt gut bey denen Sarabandes, Entrées, Page Ballets und andern starcken frischen Täntzen.

Das niedrige porte de Bras wird in der Menuet mit beyden Armen zugleich geführet / und zwar also: indem das Menuet pas (worauff zwey Tacte gehen / und deren gemeiniglich einer drey Viertel Noten hält) sich anfänget / müssen beyde Arme mit dem einen Tacte sachte herein fallen gelassen / und denn wieder mit dem andern Tacte gehoben und in selbigen von dem Leibe weggeführet werden.

Das hohe porte de Bras in denen Sarab: und andern frischen Page Täntzen aber / ist mit ein[em] Arm um andern / und nicht [mit] beyden zugleich zu mache[n] und nemlich weider auff di[ese] Art / wenn der rechte fuß e[in] pas machet / wird darbey d[er] lincke Arm gebogen gehobe[n] und der rechte wieder ausgestrecket ein wenig fallen gelassen / ingleichen brauche ich den lincken fuß / muß wieder u[m] der rechte Arm auff solch[e] Weise mit gehen / und im Gegentheil der lincke ausgestrecket fallen gelassen werden / und so fort an.

Wenn ein Scholar hierinne auch geschickt ist / hat der Maitre ferner bey demselben zu observiren Page / daß er in tantzen nicht affectiret / massen es denn öffters zit geschehen pfleget / wenn man[che]r Mench tantzet / entweder die füsse zu auswerts forciret / den Kopff zu sehr zurücke hält / und auch stets mit denen Augen gerade vor sich weg und unverwendet in die Lufft siehet / oder auch gar wohl das Maul wie weit auffsperret / und so er es ja zusammen behält / dennoch unter wehrenden tantzen die Zunge darinne hin und wieder kollert / oder die Lippé des Mauls von einer Seite zur andern käuet / wordurch er vermeynet den Tantz noch weit besser zu verrichten / als wie ihme die Natur hier zu præpariret hat / item Page etliche Persohnen gedencken auch hierbey in tantzen zu chermiren / uñ machen solche possierliche Gesichter / daß horrible über sie gelachet werden muß; Dannenhero / wenn nun solches alles ein Maitre bey einen und andern Scholar siehet / hat er ihme in diesen Stücken auch fleissig zu corrigiren / damit er in geringsten nichts gezwungenes / und solche unanständige Mienen beym Tantzen sehen lassen möge.

6. Page Grille.

Was ferner für Nutzen der Mensch von solcher löblichen und honnetten Leibes-Ubung hat.

HIervon ist zwar schon viel auch in meiner Anleitung zur Tantz-Kunst / gemeldet worden / was aber mehr vor Nutzen solche einem Menschen zu wege bringen kan / soll folgender gestalt dargethan werden.

Page Was nun die Bewegungs Krafft der äusserlichen Glied massen welche von denen Menschen durch solche zierliche Leibesübung geschicht / anbetrifft / hat dieselbe ihren Nutzen hierinne / wenn diese moderate oder mässiglich und mit rechten Vortheil gebrauchet wird / zugleich auch die Bewegung des Geblüts / so die äusserlichen Gliedmassen bewegen / und den Cörper des Menschens stets in einer Empsindligkeit erhalten muß / inseinen ordentlichen Zustande conserviret und erhält / massen sonsten im Gegentheil / wenn mann die äusserliche Bewegung des Gemüths gar zu sehr spahret / auch die Bewegung des Geblüts zu stocken Page und faul zu werden anfänget / daß also hierdurch / so keine rechte Bewegung in denen Sen- und Blut- Adern mehr ist / ein Mensch desto frühzeitiger sterben / oder doch in stetiger Kranckheit leben muß.

In summa: ein Mensch wird in seinen Gemüth durch solche zierlich Leibes-Ubung sehr auffgemuntert / und zu allen vorkommenden Begebenheiten in dem menschlichen Leben frey gemachet / also daß er sich auch mit seinen Gliedmassen vor andern in der Welt geschickt hervor zu thun weiß / und absonderlich kan ein Maitre de dance dieses einem Scholar durch Ballette dociren / darinne Page vermittelst sittsamer und zierlicher äusserlicher Bewegung derer füsse und des gantzen Leibes ohne einige WörterVerliehrung die menschlichen Affecten und sonsten alles vorgestellet / und denen Gemüthern die Sache eingedrucket werden kan / so immermehr sonsten geredet oder gesungen wird.

7. Grille.

Daß ein Tantz-Meister muß nothwendig die Music und auch etwas von der Musicalischen Page Composition verstehen.

ES ist gezeiget worden / wie ein Tantz-Meister dem Scholar weisen und lehren soll / wie er seine Gliedmassen in diesem galanten Tantz-Exercitio durchgehends geschickt und artig bewegen kan; Nun muß er ihme anch darbey am allermeisten die Bewegung des Gemüths zu erregen wissen / daß er weiß wie? warum? und wornach er tantzet? und dieses muß ohne allen Zweiffel durch die Bewegung des Gemüths erst recht erreget / bessert / andert und stillt / ja dieselbe / wenn sie nach der Page Kunst eingerichtet ist / auch eine gantz Magische Erregung der Geister mit sich führet / wie denn alle Affecten / von Liebe / Lust und andere mehr / noch geschwinder und langsamer / höher und niedriger / schärffer und gelinder Bewegung des Ætheris oder Himmels-Feuers / aus ihren Sitz erhoben / in Flamme gesetzet / oder zurück getrieben werden.

Durch solche ietzt ermeldte Music hat er dem Täntzer zu zeigen / was er sich bey iedem pas oder Schritt in Tantzen / und sonderlich in denen Ballets / (da allerhand Gemüths-Neigungen und andere Dinge deutlich dargestellet werden Page müssen) vor Geist und Leben zu geben hat? und wo hierinne der gröste Nachdruck in der Music stecket?

Die Musicalische Composition aber secundiret einem Tantz-Meister in diesen Stücke; gesetzt er hat Ballets, entweder in eine Opera, oder auch auff Bals und Assemmblées, Entrée und Täntze zu machen / worinne ein und andere nachdenckliche und sinnreiche Dinge / deutlich exprimiret werden sollen / daß er alsdenn am besten weiß / wie die Melodien in gute hörende Cadence hierzu zu machen sind / damit man auch gleich hierinne höret / was ein Täntzer durch die Bewegung des Gemüths Page præsentiren und verrichten soll.

Verstehet nun aber ein Maitre weder Music noch Composition hiervon / so wird er auch niemahls was geschicktes und kluges in seiner Tantz-Kunst heraus zu bringen wissen / denn wenn mancher gleich etliche Melodien / so ein anderer gemacht / ein wenig zu fiedeln oder durch Singen herzu liedeln weiß / und durch solche erbärmliche Cadence die Scholaren in ihrer vermeynten Tantz-Kunst zur Lust anzureitzen gedencket / so thut dieses lange noch nichts zur Sache / sondern es bleibet doch darbey / wo bey einem Tantz-Meister dieses necessarium requisitum, Page da er nemlich einigen Verstand von der Music und deren Composition haben soll / ermangelt / daß er noch kein perfecter Tantz-Meister ist, Sprechen gleich welche von Maitres die hierinne unerfahren / es wären viel Tantz-Meister in der Welt / ja in Franckreich selbsten / allwo diese Tantz-Kunst fürnemlich floriren soll / die keine Music und Composition verstünden / so wird von einem iedweden verständigen Menschen und zwar in Betrachtung obangeführter Umstände zur Antwort dienen müssen / daß es schlimm gnug sey / vor diejenigen / so Tantz-Meister seyn wollen / aber keinen eintzigen Page Verstand von der Music und derselben nöthigen Composition haben / wordurch doch der Menschen Gemüther in Tantzen am meisten zu bewegen sind.

Es hat zwar auch ein bekandder Musicus, nahmentlich Herr Andreas Werckmeister / Organist in Halberstadt / in seinen Annotationibus, welche er über D.A. Stephani, Abtes von Lepsing / des heil. Apostolischen Stuhls Protonotarii Musicalisches Send-Schreiben / gemachet und beydes in einem kleinen Tractate 1699. in Druck heraus gegeben / und zwar gantz hintan zuletzt / da er in was vor Werth die Music bey denen Alten Page gewesen / gedencket / auch pag. 96. zugleich mit angemercket / wie daß dem Heil. Augustin: (weil zuvor Plutarchus 65. de Musica angemercket hätte / daß in denen allerältesten Seculis die Griechen nicht das geringste von der Musica Theatrali melden / nochiemahls davon anders reden / als von einer Sache / welche beym Gottesdienst gebraucht würde ) dieses auch in suo Lib. I. de Musica c.2. bewogen zu sagen / daß viel in der Sing- und Tantz-Kunst eitel und nichtswürdig sey / welchem den Nahmen der Music zu geben / nichts anders sey / als diese göttliche Wissenschafft verunehren und vernichtigen. Page Nun glaubt man gar wohl daß diese herrliche Music / zumahl wenn sie bey garstigen und unflätigen Schand Liedern / und in denen heimlichen unzüchtigen Winckel-Täntzen gebrauchet wird / hierdurch gemißbrauchet und verunehret werden kan / daß aber die lieben Alten von der heutigen manierlichen Sing- und Tantz-Kunst noch nichts gewust / und also dieses wie vorgedacht dem H. Augustin: ohne Unterscheid zu reden beliebt / lässet man dahin gestellet seyn / aber doch ist heute zu Tage bey allen Menschen fast schon in der gantzen Welt bekandt / daß erwehnte Music bey honnetter und zierlicher Page Sing-Kunst / auch der erbahren Leibes-Ubung in der Tantz-Kunst gar wohl zuzulassen ist.

8. Grille.

Wie auch bey solcher mehr gedachten Leibes-Hbung die menschlichen Glieder bey guten Kräfften zu erhalten sind.

Das Tantzen das will Kräffte in Gliedern haben; Dannenhero müssen diejenigen / welche entweder selbst profession darvon machen / oder sich nur in etwas starck darinne Page exerciren wollen / zu sehen / daß sie stets ihre Gliedmassen / welche ohnedem scharff in solchem Exercitio laboriren und allerhand geschickte Schritte machen müssen / bey guten und gesunden Kräfften erhalten mögen / und nicht erwan solche durch unnatürliche Erschöpffung und Auslehrung des Cörpers / oder übermäßige Anfüllung und Mästung desselben / daß hernach auch zu solcher galanten Leibes-Ubung einer etwas tüchtiges zu machen / gantz ungeschickt und zu starck wird / oder durch unziemliche Alteration und Verstellung der innerlichen Affecten und Begierden / ingleichen durch Debauchen / es sey vom Venus-Spiel Page / oder fressen / Sauffen allerhand vieler hitziger Geträncke und unordentliche Regierung der Affecten verschwenden und unterdrücken / massen sonsten / wenn ein solcher Mensch diesen allen nachhängt / er nicht alleine eine ungemeine Schwäche seiner Kräffte empfinden wird / und seine Glieder am gantzen Leibe werden sehr träge und faul etwas gutes in Tantzen zu præstiren / sondern muß auch wohl / wo keine gehörige Restauratio Æquilibrii erfolget / um so viel desto eher des Todes gewärtig seyn / denn so balde nur die Kräffte der Lebens-Geister (welche so wohl die nechsten Urhebere der Gesundheit- Page als auch der Kranck-heiten seynd / so in dem menschlichen Cörper sich ereignen) von ihrer natürlichen Art abweichen / wird das geziemende Temperament zerstöhret / die Flüchtigkeiten werden zur Ungebühr erreget / und von einem Theil des Leibes zum andern fort getrieben / so / daß aus ihren Uberfluß oder Mangel solche Symptomata oder Zufälle sich äussern / welche das Leben dem Tode ähnlich machen.

Derowegen muß iedweder Mensch in Obacht nehmen / wie er seine Glieder also bey Kräfften erhält / daß er sie auch in dieser honnetten Liebes-Ubung allezeit frisch und munter gebrauchen Page / und darmit beym Tantzen was Fermes und geschicktes machen kan.

9. Grille.

Zum Beschluß will ich noch einen und andern verständigen Liebhabern von Tantzen / etliche von meinen Characteribus, so ich mir in Auffzeichnung einer und anderer Täntze bediene / hiermit communiciret haben / welche / wenn sich diese ein mensch bekañt machet / auch einigen Nutzen in selbst-Aufzeichnung der Täntze / so er gelernet und nicht vergessen Page will / bringen werden / und damit derselbe siehet / wie solche zu gebrauchen / habe ich ein paar bekandte Täntze / als la Princesse de Savoye, und die Passepiéd de l’Europe galante, zu dem Ende mit etlichen von meinen Characteribus hieher nebst der darzu gehörigen Music in ihre Figuren setzen wollen.

Un Page den Autorem.

Wer hohe Geister hegt / der

lässet sich nicht irren /

Wann ihn des Neiders Zahn

benaget Tag und Nacht /

Er weiß / daß Momus pflegt die

Welt so anzukirren /

Daß sie Geschickligkeit vor

was gemeines acht.

So gehts auch Ihm / Hr. Behr /

da Er der dergleichen Dingen /

Dran noch kein Teutschersich

sur Zeit gewaget hat /

Zu seines Nächsten Nutz will zu

Papyre bringen /

So Page reibt der blasse Neid sich an

Ihm früh und spath.

Doch dessen ungeacht läst Er sich

nicht abschrecken /

Er fähret billig fort / ohn einigen Verdruß /

Und zeigt / ob andere gleich heimlich Grillen hecken /

Daß Er noch vieles weiß /

das vor Ihn reden muß.

In Leipzig wird Ihm leicht kein

Mensch das Lob abjagen /

(Keinem zu nah geredt / der

Tantzen excolirt. )

Weil hier gantz Weissenfelß

auch Zeitz und Naumb. sagen

Wie die Durchlauchtigkeit

Ihn dorten æstimirt.

Drum glücklich wer den Neid

so kan / wie Er / verlachen /

Gedenckend; Page daß der Mensch

noch nicht gebohren sen /

Der nach des Momi Sinn es iedem recht kan machen /

Und stellt daneben das Verbessen allen frey.

Indessen fahr Er fort noch fernerweit zu weisen /

Was Sein geschickter Sinn

ingenieuses hegt /

Ihn wird gewiß dafür die

Nachwelt müssen preisen /

So lange dieses Rund galante Leute trägt.

Hiemit solte den Hrn. Autorem als seinen hochzuæstimirenden Gönner zu fernerer Continuirung seines rühmlichst angefangenen Operis anfrischen

Dessen

Dienst-ergebenster

Joh. Wilhelm Bleibtreu /

SS. Theol.Stud.

CHARACTERES. Page

1. Ist ein Pas grave. 6. Ein Contretems. 11. Ein pas tombé. 16. Pascoulant. 21. Ein gantzer Sprung auff beyde Beine zugleich. 26. Eine Tourné auff den rechten Fusse nach der lincken Hand.
2. Eine halbe Coupé. 7. Ein Contretems mit dem Pas grave. 12. Ein Pas de Rigaudon. 17. Ein Pas de Cissaus. 22. Eine halbe piroüete vorne über den Fuß. 27. Eine Tourné auff den lincken Fusse nach der lincken Hand.
3. Eine gantze Coupé. 8. Ist Balancement. 13. Ein gebogen Pas. 18. Eine gantze piroüête vorne über den Fuß. 23. Eine halbe piroüête zurück hinter den Fuß. 28. Eine kleine Tour vom Beine.
4. Ein Pas de Menuet. 9. Ein streiffer Schritt. 14. Ein Pas Chassé, auff die Seite vorne übern Fuß. 19. Eine gantze piroüête zurück hinter den Fuß. 24. Eine Tourné auff den lincken Fusse nach der rechten Hand. 29. Eine grosse Tour vom Beine.
5. Ein Pas de Bourrèe. 10. Ein halb Pas Balancé. 15. Ein Pas Chassé, auff diese Seite hintern Fuß. 20. Ein halber Sprung da man auff ein Bein alleine springet. 25. Eine Tourné auff den rechten Fusse nach der rechten Hand.

NB. Die Zieffern so an denen Characteribus angezeichnet stehen / zeigen sie pas oder Schritte an / wie sie nach einander folgen. Und die dinnen Striche / woran theils die Characteres, theils auch nur an der Seite gezeichnet stehen / sind die Figuren der Täntze wie sie gehen.


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